Ein Güstrower Gespann auf Reisen (1)

Mit MZ-Oldtimer 1.900 Kilometer auf Schwedens Straßen und Wegen

Beate Weigel und Hartmut Prüß auf Erlebnistour in Skandinavien
Wenn von einem Gespann die Rede ist, so hat das für Beate Weigel und Hartmut Prüß aus Güstrow gleich eine doppelte Bedeutung. Einerseits sind die beiden ein gutes Gespann und andererseits besitzen sie eines – eine MZ ES 250/2 mit einem Superelastic-Beiwagen, Baujahr 1970! Damit haben die beiden in diesem Sommer Großes unternommen. Doch ihren Anfang nahm die Geschichte schon einige Jahre zuvor.
Hartmut Prüß entdeckte schon vor 9 Jahren als damals 15jähriger über einen alten Motorroller seines Vaters die Liebe zum Zweirad. Schnell zeigte sich, dass es MZs seien mussten und zwar so alt wie möglich. Der junge Schüler begann Fahrzeuge zu sammeln und bastelte an ihnen herum, bis sie wieder funktionstüchtig und fahrbereit waren. Mit zunehmendem Wissen begann er auch allmählich mit fachgerechten Restaurationen von einigen dieser inzwischen zusammengetragenen und seltener werdenden Maschinen. Sein besonderes Interesse aber galt dem MZ-Gespann. Von Taschengeld und Ferienjobs finanziert, holte er es 1996 mit Hilfe von Vater und Bruder auf den elterlichen Hof. Neben der für heutige Zeiten ungewöhnlichen Konstruktion und dem Alter des Fahrzeugs begeisterten ihn vor allem die für die sichere Fortbewegung notwendigen Fahrfähigkeiten, die von denen eines Solomotorrades erheblich abweichen. Die Maschine wuchs mit jedem zurückgelegten Kilometer mehr an sein Herz.
Doch neben den Motorrädern hat Hartmut Prüß darin vor allem Platz für seine Freundin Beate Weigel. Zuvor noch kaum in direkten Kontakt mit Motorrädern gekommen, hatte aber auch sie die Faszination des Zweirades schon angesteckt.
So ist die Geschichte ihrer Partnerschaft auch immer eng mit den Motorrädern verbunden. Häufig stehen an Wochenenden kleine Ausfahrten oder auch Touren mit Freunden und ebenfalls MZ-begeisterten Freunden auf dem Programm.
Im vorigen Jahr reisten sie mit ihrem Gespann nach einem Besuch beim Herstellerwerk ihrer MZ in Zschopau zu dessen 80jährigem Jubiläum weiter über Tschechien bis hinein nach Bayern und kehrten dann über Hessen und Thüringen wieder in den Norden nach Mecklenburg zurück. Am Ende der Reise konnten fast 2.500 km auf dem Tacho abgelesen werden.
Dies spornte die beiden für ein neues Ziel in diesem Sommer an: Schweden, bis in die Hauptstadt Stockholm sollte es gehen, eine 1.900-km-Tour!
Für dieses Vorhaben stand in diesem Jahr nur die letzte Augustwoche zur Verfügung. Die Fähre von Rostock nach Trelleborg war schnell gebucht und ein Zelt hatten die beiden schon zum Geburtstag bekommen. Mit einem ausreichenden Zeitpolster im Rücken machten sie sich von Güstrow aus auf den Weg zum Überseehafen Rostock. Aber dann der erste Schrecken schon nach nur wenigen Kilometern – Vollsperrung auf der A 19! Doch die Fähre nimmt keine Rücksicht auf Autobahnstaus. Ausnahmsweise mal schlechtem Wetter ist es zu verdanken, dass nicht gleich der Start ins Wasser fiel. Die Fähre hatte nämlich wegen starken Winden und Wellen auf der Ostsee nicht planmäßig aus Trelleborg abfahren können und so kamen sowohl das Gespann als auch das Schiff verspätet im sicheren Hafen an. Bei der Ausfahrt aus dem Bauch der Fähre auf schwedischer Seite spiegelten sich die Strahlen der Sonne in den vom gerade abgezogenen Regen zurückgelassenen Pfützen.

Nickerchen vor der Fährfahrt

Elche in Sicht



Ein Güstrower Gespann auf Reisen (2)

Ganz plötzlich waren sie da: leibhaftige Elche

Mit MZ-Oldtimer 1900 Kilometer durch Schweden

Güstrow. Auch wenn es die Sonne gut meinte, der Wind wehte sehr stark direkt aus Norden. Und genau dahin wollten die beiden Güstrower Beate Weigel und Hartmut Prüß. Dies forderte aber am Steuer des Gespanns viel Kraft, denn vor über 30 Jahren baute man bei MZ noch keine vor PS strotzenden Motoren in die Zweiräder ein und der Beiwagen verbessert in solchen Fällen nicht unbedingt die Fahreigenschaften. Aber dafür verwöhnte sie die Fahrtroute. Bei gemächlicher Reisegeschwindigkeit ging es vorbei an der neuen Öresundbrücke, die Malmö und Kopenhagen miteinander verbindet und gerade für den Bauingenieursstudenten Hartmut ein beeindruckendes Bild darstellte. Dabei eröffnete sich der Blick auf die schwedische Küste in unmittelbarer Nähe und am Horizont auf die dänische Hauptstadt Kopenhagen, das dänische Königreich und dazwischen die vom Wind gepeitschte Ostsee.

Der neue Morgen überraschte durch strahlende Sonne, seine Wärme, blauen Himmel und Tau, der sich in den vielen Spinnenweben gesammelt hatte. Durch solche Natureindrücke und das Frühstück gestärkt, ging es weiter in Richtung Nordosten, der Hauptstadt Stockholm entgegen, jedoch nicht auf den schwedischen Schnellstraßen. Wer nach Schweden oder überhaupt nach Skandinavien reist, der hofft natürlich unbedingt auch auf die berühmten Elche zu treffen. Und plötzlich waren sie da – wenn auch nur auf den berühmten Warnschildern am Straßenrand. Doch die ließen Erwartung und Spannung darauf erheblich steigen. Aber auf den nächsten Kilometern war kein lebendes Exemplar zu erspähen.

Am Nachmittag war der Vätten erreicht, der zweitgrößte See Schwedens. Die Ufer des bis zu 128 m tiefen Gewässers sollten natürlich nicht nur befahren werden, auch ein Bad wollten sich die beiden gönnen. Aber geschockt von der geradezu eisigen Wassertemperatur im Vergleich zu unseren Mecklenburgischen Seen in diesem Sommer konnten sie es nicht lange in den Fluten aushalten.
Zudem galt es ein aufziehendes Gewitter zu beobachten. Nach kurzen aber intensiven Niederschlägen hellte es schnell wieder auf. Vom Steilufer aus, den weiten See jetzt vor sich liegend, konnten sie Regenbögen sehen, die aus den Wassern anwuchsen, bis ein Halbkreis nahezu vollendet war.
Dieser See hatte die beiden in seinen Bann gezogen und so wurde schnell entschieden, die Nacht bleiben wir in dieser Gegend. Auf einem sehr schönen Zeltplatz in der Nähe kam es zu einem Zusammentreffen mit verschiedenen interessanten Menschen. Besonders beeindruckend waren die Berichte eines Wanderers, der ebenfalls aus Deutschland kam. Neben seinen vielen Reisen zu Fuß erzählte er auch von seiner außergewöhnlichen Fahrt mit einem Zündapp-Motorrad Anfang der 50er Jahre, die ihn über den Balkan, durch die Türkei, sogar Afghanistan bis hin nach Kalkutta in Indien geführt hatte. So endete wieder ein Tag, gespickt mit Ereignissen, Beobachtungen und Erfahrungen.
Die weitere Reise führte noch auf zahlreichen Kilometern am Vätten entlang, als plötzlich Unerwartetes passierte! Beate machte sich ganz aufgeregt aus dem Beiwagen bemerkbar: „Elche! Direkt am Straßenrand!“ Sofort wurde das Gespann gewendet. Da waren sie, die Elche. Ein Muttertier mit ihrem Jungen stand am Waldrand, nur knappe 40 Meter, und alle guckten sich nur starr an. Als der Mut gefasst wurde, die Kamera herauszuholen, spürten die Elche aber wohl, was geschehen sollte, und sie verschwanden in ihren schwedischen Wäldern.
Die Begeisterung dieser direkten Begegnung mit den Elchen noch in den Gliedern ging es weiter bis nach Stockholm mit der unumstößlichen Erkenntnis: „Wir haben den richtigen Urlaubsort und die richtige Urlaubszeit gefunden!“

Der Packesel MZ ES 250-2



Die Maschine hatte sich einen Orden verdient



Stockholm erreichten die beiden MZ-Reisenden Beate Weigel und Hartmut Prüß mit ihrem Oldtimergespann am vierten Reisetag nach einer nur kurzen Fahrt vom Übernachtungsort. Auf diesen letzten Kilometern bis zum Ziel wandelte sich das bisher erlebte Schweden gewaltig. Nur noch wenig deutete auf die weite einsame Natur hin, alles wurde wie für Großstädte üblich hektischer, lebendiger und vor allem autoreicher. Aber die Lage Stockholms, auf Inseln und Halbinseln an der engen Mündung des Mälarsees in die Ostsee, von zahlreichen Brücken überspannt, beeindruckte schon bei der Fahrt ins Zentrum der Metropole.
Als Ausgangspunkt ihrer Entdeckungstour durch die Stadt und als Unterkunft für die nächste Nacht suchten sie eine Jugendherberge in zentraler Lage auf. In einem alten Segelschiff, festgemacht an der dem königlichen Schloss gegenüberliegenden Insel, quartierten sie sich ein. Von jetzt an für die nächsten 24 Stunden gewährten sie ihrem Gespann eine Verschnaufpause, denn die eigenen Füße brachten sie von nun an weiter.

Besonders sehenswert war für die beiden das Vasa-Museum, in dem das Wrack und die Geschichte der Bergung des 1628 kurz nach dem Stapellauf gesunkenen Schiffes ausgestellt ist, das der Stolz der schwedischen Marine werden sollte. Weiterhin genossen sie Spaziergänge entlang der vielen Schiffsanleger, an denen auch viele alte Segler festgemacht hatten. Vor allem in der Gamla Stan (Altstadt) stehen viele Bauwerke, die die schwedische Monarchie vergegenwärtigen. Herrlich maritime Stimmung verbreiteten das Panorama und die alten Segler in Stockholms Hafen.

Nicht ohne eine richtige Stadtrundfahrt, wie man sie in Stockholm am besten auf dem Wasser macht, wollten sie die Hauptstadt verlassen. Deshalb gingen sie gleich am nächsten Morgen an Bord eines solchen Schiffes und erlebten so eine ganz andere Sicht auf diese schöne Stadt. Mit Blick auf die noch bevorstehende Reisestrecke mussten die beiden aber dann bald die Sachen schnüren und der tapfere Zweitakter des Gespanns zog sie wieder zurück nach Süden.
Der Reiseweg hielt auch auf dem Rückfahrt viele imposante Natureindrücke bereit. So führten Teile der Strecke an der Ostküste Schwedens durch die berühmten Schärenlandschaften hindurch. Das ruhige, einsame und fast menschenleere Schweden breitete sich wieder weit neben der Straße aus. Im Landesinneren wurde es hügeliger und nach dem offenen Meer war es jetzt wieder die endlose Zahl der in die Wälder eingebetteten Seen, die zu bezaubern wussten.
Die Länge der Tagesetappen war immer so bemessen, dass etwa 270 km zurückzulegen waren. Aber speziell die letzte Etappe bis zur Fähre nach Trelleborg wurde kurz gehalten. Sie sollte Polster sein für evtl. zuvor nicht rechtzeitig erreichte Etappenziele und um mögliche Pannen auszugleichen. Keiner dieser Fälle war eingetreten, denn wieder einmal hatte das Gespann von Beate und Hartmut seine Zuverlässigkeit unter Beweis gestellt, die auch schon zu DDR-Zeiten den MZ-Maschinen nachgesagt wurde.
So mancher Zweifel an dem Gelingen dieses Vorhabens konnte spätestens ausgeräumt werden, als das Gespann vollgepackt auf den Güstrower Hof rollte. Zum letzten Mal für diese Reise drehte Hartmut den Gashebel richtig auf, bevor sich nach 1.900 km durch Schweden der Motor eine längere Pause redlich erarbeitet hatte.
Die beiden Reisenden konnten es sich nach diesen Abenteuern nicht nehmen lassen und verliehen ihrem Gespann einen Orden. Als angemessene Ehrung betrachteten sie den Aufkleber mit dem gelb-roten Schild, das vor Elchen warnt. Dieser soll von jetzt an für alle weiteren Reisen von dem bisher Erlebten künden.